Donnerstag, 29. Dezember 2011

das böse in mir

Wenn man sich aufmacht, um in einem fernen Land zu leben, rechnet man mit vielem. Und obwohl es nicht mal der Mühe wert ist, versucht man sich bereits vorab geistig auf die neuen Umstände, Situationen und veränderte Lebensweise einzustellen. Nicht mal ansatzweise hätte ich aber damit gerechnet unschöne, nicht ganz so liebenswerte Seiten in mir zu entdecken ... oder zu entwickeln.

Denn seit kurzem habe ich ein neues Hobby. Ein Hobby, das mich nicht gerade dazu qualifiziert, als Nachbar des Monats gewählt zu werden - geschweige denn dem Gewinnen eines Friedensnobelpreises auch nur ein kleines Stückchen näher bringt. Nicht dass das mein erklärtes Ziel wäre. Schade nur, dass diese Richtung, in die ich mein Leben hätte einschlagen können, in weite weite Ferne rückt. Und das alles nur, weil mein neues Hobby auch glatt als Aggressionstherapie durchgehen könnte.

Beschreibung: Tückisches, unerwartetes Zuschlagen von Türen in Geschäften und das Zurückhalten von manuell bedienbaren Drehtüren, um so einen kurzen Moment der Freude zu genießen, wenn sich jemand - dezent, geradezu unbedeutend - sein Naserl anstupst. Nicht, dass das schon mal passiert wäre, aber alleine die Vorstellung und der Ausdruck so mancher Gesichter, retten manchmal meinen ganzen Tag.

Gemeinheitsfaktor: hoch

Befriedigung: um ein Vielfaches höher

Motivation: Ablegen der Opferrolle

Rücksichtsloses Drängeln und sich den Weg durch die Massen mithilfe von Ellbogentechnik zu bahnen liegt hier an der Tagesordnung. Sich selbst eine Tür zu öffnen, endet oft damit, dass man als Türstopper für Massen von anderen fungiert und sich diese nicht einmal bemühseligt fühlen, einem auch nur eines Blickes zu würdigen - von einem freundlichen Lächeln oder einem Danke ganz zu schweigen.

Nach fast einem Jahr kann dieses rücksichtslose Verhalten zu dezentem Unbehagen führen - Gewöhnungseffekt gleich Null. Und wenn man es nicht schafft, sich ein Ventil zu kreieren, legt man die Opferrolle beim Betreten der eigenen Haustür nur sehr schwer ab. Manche lösen diese Problemchen in Form von regelmäßigen Bierkonsum, andere kreieren ihre ganz eigene Art von Gesprächstherapie, indem sie jedem, der's hören oder auch nicht hören will, ihre Geschichten erzählen. Für mich heißt Mitmachen die Devise und sich über die kleinen Erfolge in seinem Leben freuen. Boshaftigkeit hin oder her...

Samstag, 24. Dezember 2011

stilecht vs stilschlecht

Verrat mir mal einer warum es in einer Stadt, in der es bis zu minus 30 Grad kriegt - und es jetzt schon auf Grund der 'kühlen' Brise gefühlte minus 20 hat -,

  • keine Kältecremen für's Gesicht gibt?
  • in sämtlichen Stores keine Hauben aufzufinden sind?
  • es hier keine längeren Jacken/Mäntel für Männer zu kaufen gibt?

Alles Fragen, die mich brennend interessieren und auf die man in Shenyang so schnell keine Antworten finden wird.

Wie sich Shenyanger Frauen vor der Kälte wappnen? Diese trotzen den frierenden Temperaturen und halten auf Biegen und Brechen einen längst vergangenen Sommertrend aufrecht: Mini-Shorts. Und ich rede nicht von kurzen Pailetten-Höschen, ohne die meiner Meinung nach diese Partysaison nur halb so viel krachen würde. Hier ist die Rede von funzi, mini Lederhöschen, die vorzugsweise mit fetten nudefarbenen Wärmestrumpfhosen inkl. schwarzen (!!!) Nähten getragen werden. Und um den ganzen dann noch das 'i'-Tüpfelchen aufzusetzen, kombiniert Chinesin von heute dazu noch dicke Strickpullover oder ein Glitzertop - tagsüber. Versteht sich.

Frau von Europa schweigt und bewundert. Nicht den umwerfenden Stil und das unschlagbare Kombinationstalent, sondern das unheimliche selbstwusste Auftreten, in denen funzi-Hosen-Trägerin in ihren 10 Zentimeter Heels (ja - die sollten an dieser Stelle auch noch erwähnt werden) über Shenyangs Eisplatten stampft.

In keinster Weise bekrittle ich an dieser Stelle Stil. Stil und Extravaganz, die frau dazu bringen, sich bei Minusgraden in kurze Kleidchen, dünne Strumpfhosen und mörder High-Heels zu werfen, um mit dem Schnee um die Wette zu glitzern. Schließlich hat es uns SATC vorgemacht - frau friert ab und an nur allzu selbstverständlich und das ohne auch nur mit der kleinsten Wimper zu zucken, wenn es um den Auftritt geht oder eine Kamera auf einen gerichtet ist. Allerdings gib es in dieser entscheidenden Gleichung eine unverzichtbare Variable: Stil. Wenn nicht mal annähernd vorhanden, gibt es für mich keine auch nur ansatzweise logische Erklärungen sich absichlich Erfrierungen zuzuiehen - und das an Stellen, von denen man nicht mal wusste, dass dort etwas (er)frieren kann.

Montag, 19. Dezember 2011

chinakoller ... no. 2

Wann man weiß, dass man unter einem Chinakoller leidet? Seine 77 Sachen packen und so schnell wie möglich wieder steirische Luft atmen sollte?

Und zwar genau dann, wenn man...
  • ...sich dabei ertappt, dass man sich ganz Chinesen-like durch die Straßen rempelt.
  • ...auf seinem täglichen Wegen zu Fuß völlig ungeniert alles und jedem auf Deutsch seine Meinung bläst. Und Gelegenheiten gibt es viele...und zwar jeden Tag. ZB genau dann, wenn man angerempelt wird oder Fußgänger glauben, dass sie die Fußgängerzonen-Herrschaft an sich gerissen haben und keinen Schritt ausweichen. Oder wenn Autofahrer ein Hubkonzert veranstalten, wenn man ihnen auf dem Fußgängerweg (!) entgegenkommt und sie sich in ihrer freien Bahn eingeschränkt fühlen. Oder aber auch wenn so dicht an einem ran gefahren wird, dass man das Reifenprofil des Autos mit bloßem Auge nachmessen könnte.
  • ...deutsche Schimpftiraden nicht mehr reichen, man zu seinen hart erlernten Chinesischen Kraftausdrücken greift und diese in perfekt einstudierter Betonung - damit sie ja ein jeder versteht - demjenigen entgegenschmettert, der es schafft seine unschönsten Seiten vor einem Massenpublikum auszupacken.
  • ...glaubt sich an das Herumgespucke schön langsam gewöhnt zu haben, dann jedoch die Spuckhäufigkeit mit sinkenden Temperaturen extrem steigt und man es in manchen Situationen gerade noch irgendwie vermeiden kann, dass der Rotz des Fußgängers vor einem beim Überholmanöver nicht auf den eigenen Schuhen landet.
  • ...in vorweislicher Absicht abnimmt, um im baldigen Heimaturlaub ohne schlechten Gewissens alles in sich hineinstopfen zu können und sei es dem unbändigen Verlangen nachzugeben Kernöl pur zu trinken.
  • ...verschiedene Listen mit klangvollen Namen wie Folgenden führt: Freßgelage 1. Tag, Freßgelage 2. Tag, Freßgelage 3. Tag, Freßgelage...
  • ...sich vor ein rasendes Moped wirft, um so die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen auf Grund eines medizinischen Notfalles früher nach Hause zu fliegen :D

Samstag, 17. Dezember 2011

ausrede no. 2 ... chinakoller


Als eine mittlerweile liebgewonnene Freundin beim Mittagessen diesen Satz von sich gab, hätte ich ihr fast - ganz in der Manier von so manch einem Chinesen - meinen gesamten Mundinhalt entgegengeprustet. Ihre Argumente untermauerten ihre Theorie und seit dem kann ich einen Funken Wahrheit darin nicht abstreiten. Schließlich ist sie Deutsche, lebt seit 2 Jahren in Shenyang und weiß wovon sie spricht.

Deutsche Pensionisten sind ihrer Meinung nach nicht die freundlichsten und best gelauntesten Wesen, die sich durch deutsche Straßen schieben. Zudem schaffen sie sich durch Drängeln und Schubsen Gehör und nur zu oft erntet man rüde Bemerkungen und Blicke, die einen manchmal bis ins Mark erschüttern. So weit - so chinesisch. Hinzu kommt angeblich noch ihre Weltanschauung, die sie als einen nicht all zu unwichtigen Teil des Universums deklariert. Und auch hier kann eine Parallele gezogen werden. Nicht umsonst heißt China vom Chinesischen ins Deutsche freu übersetzt 'Land der Mitte'.

Und genau diese kurze Darstellung ist auch der Grund für meinen Chinakoller und für meine Schreibfaulheit. Denn wenn einem mehr oder weniger fast keine positiven Gedanken einfallen über die man schreiben könnte, sollte man es lassen. Vor allem dann, wenn Big Brother immer und überall mitliest. Mein Blog war für kurze Zeit für jedermann zugänglich, allerdings entschied man sich dann, dass ein gesunder Geist meine Postinhalte eher nicht lesen sollte und man machte meinen Blog für das Volk unzugänglich. Was mich im Grunde nur wenig kratzt - dank meiner genialen Hälfte und den von ihm konfigurierten VPN Zugang. Wie heißt's noch mal so schön? Ist der Ruf erst ruiniert...

Dienstag, 13. Dezember 2011

ausreden...


... die erklären, weshalb ich schon so lang nix mehr von mir hören hab lassen, gibt es viele. Und einige davon sind richtig gut. Aber entscheidet selbst, ob ihr mir meine Schreibfaulheit vergebt und meine Entschuldigungen als würdig erachtet. Im Laufe dieser Woche werde ich noch ein paar meiner Ausreden zum Besten geben. Mal sehen ob sie euer Herz erweichen und euch wieder milde stimmen :D

Meine Lieblingsausrede ist die, dass ich meine linke Hand seit ein paar Tagen nur mehr bedingt unter Schmerzen bewegen kann. Das Einfingersystem führt bei mir zu Gähnattacken und spontanen 'Stunden'-Schlaf - ein sehr guter Grund, weshalb euch meine geistigen Ergüssen vorenthalten wurden.

Der Auslöser jedoch für meine schmerzende Hand ist ein blöder und ziemlich peinlicher. Vor ein paar Tagen wurde ich von einem Moped niedergemäht. Nicht von irgendeinem Moped, sondern von einer geisteskranken FahrerIN, die bei einer grünen Fußgängerampel nicht lang fackelte, den erstbesten Ausländer anvisierte (in dem Fall ich) und Vollgas gab. Frei nach dem Motto: Ein Ausländer weniger auf der Straße - Wochenpensum erfüllt - check!

Da ich aber momentan ziemlich gut im Geschäft stehe und mein aktuelles Kampfgewicht erreicht habe (ja - Heimweh gemischt mit Lernblockaden und dem dumpfen Gefühl, dass Chinesisch einfach nix für einen ist (...und auch nie sein wird), führen bei mir zu dem unwiderstehlichen Drang sich Schokoladen-Genüssen der nicht enden wollenden Art hinzugeben), schlug nicht nur ich einen Salto und landete auf meiner Hüfte und meiner linken Hand, sondern ich riss die Fahrerin und ihr Gefährt mit auf den Asphalt.

Wie das Ganze genau ablief, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass ich guten Gewissens über den Zebrastrafen hüpfte und im nächsten Moment meine Hand sich mit der Härte des Asphalts messen wollte. Erschwerend kam noch hinzu, dass sich das Ganze zur Hauptverkehrszeit abspielte. Die Chinesen sind ja generell ein sehr neugieriges Völkchen. Ihre Aufmerksamkeit wird aber noch um einiges gesteigert, wenn ein Ausländer ihren Weg kreuzt. Wenn sich aber nun die einmalige Gelegenheit ergibt, dass es einen Westler vor ihrer Nase zerlegt, gibt es kein Halten mehr.

So schnell hab ich mich nach einem Fall noch nie vom Boden aufgekratzt und mein super-alles-okay-starrt-bitte-wieder-auf-den-scheiß-Verkehr-und-auf-die-roten-Lichter-die-so-viel-bedeuten-wie-ihr-habt-stehen-zu-bleiben Lächeln hättet ihr sehen müssen. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht halft ICH dann noch der Mopedfahrerin ihre Einkäufe wieder aufzusammeln und ihr Moped aufzustellen und dann vertschüsste ich mich so schnell wie möglich im Getümmel, indem ich mich an das Fluchtverhalten eines Wildhasens orientierte und wilde, unberechenbare Hacken schlug. Meister Lampe würde mir einen Orden verleihen.

Schmerzen fühlte ich natürlich keine und die Nummer oder den Namen mit der Chinesin auszutauschen fiel mir in diesem Moment im Traum nicht ein. Erst in der Nacht fing es dann richtig an zu schmerzen und am nächsten Tag ging's ab ins Krankenhaus. In's seeeehr chinesische Krankenhaus, denn obwohl es sich dabei um eine von Westlern präferierte Einrichtung handelte, wurde ich das Gefühl nicht los, dass mich irgendwer hier gewaltig verarscht. Die Anmeldung und Beratung erfolgte in einem riesigen, runden Raum, in dem an jeder freien Stelle an der Wand ein leidender, kranker Mensch lag. Das Ganze erschien mir eher wie eine Stop-and-Go Abfertigungsstelle für nicht ganz so schwer Verletzte.

Das Gute an dem Ganzen? Meine gesamte Behandlung inkl. Röntgenbild, ärztliche Begutachtung und nicht-vorhandenen Englisch-Kenntnissen kosteten uns umgerechnet gerade mal EUR 16,00!!! Zum Schluss dieser Misere erntete ich dann noch folgende Diagnose von einem Arzt, der mit 15 anderen hinter einem kreisförmigen Schalter saß: Bone okay - bye!


Die Moral von der Geschichte?
  • 3 Monate Chinesisch zu studieren reicht noch nicht aus, um ein fachärztliches Gespräch zu führen. Insbesondere deswegen, weil man so hilfreiche Begriffe, wie geisteskranke Raserin, niedergemäht, Asphalt geküsst oder Unterarm schmerzt wie Hölle und kann nur unter rasenden Schmerzen bewegt werden noch nicht gelernt hat.
  • Die Verkehrsteilnehmer hier in Shenyang erziehen zu wollen funktioniert nicht. Und wenn man dieses Projekt starten wollte, müsste man in einem Hummer sitzen.
  • Chinesische Ärzte und Krankenhäuser sind lustig, wenn man keine Schmerzen hat, keine ernsthafte Auskunft benötigt und sein Leben nicht in Gefahr sieht. Falls man sich jedoch eine dieser 3 aufgezählten Situationen mit 'ja' beantworten muss, sollte man sich schon vor der Beantwortung der Frage im Flieger nach Hause befinden.