Dienstag, 22. Mai 2012

china ist anders. ich aber auch.

Wenn man nur Negatives zu sagen hat, sollte man am besten gar nichts sagen. Deshalb ist es letzte Woche auch so still auf meinem Blog gewesen. Der Chinakoller hatte mich also wieder mal hinterhältig attackiert, mich zu Boden gerissen und an Entkommen war nicht mal ansatzweise zu denken.

Das Auswandern in den fernen Osten bringt viele Vor- und Nachteile mit sich. Und ich bereue unsere Entscheidung nicht. Allerdings hätte ich nicht damit gerechnet, dass mich das Alltagsleben hier bis an den Rand des Wahnsinns treiben kann. China bringt in mir nicht gerade die besten Seiten zum Vorschein. Ganz im Gegenteil: 28 Jahre glaubte ich, dass ich ein verständnisvoller, geduldiger und offener Mensch bin.

Dem ist jetzt nicht mehr so. Geduld und Verständnis haben - zumindest wenn ich allein als Fußgänger auf der Straße unterwegs bin - schon laaaaang reißaus genommen und sind nicht mehr mein ständiger Begleiter. Ich schimpfe mich wie ein Rohrspatz durch die Straßen von Shenyang - dieses Schauspiel wird auch noch von starken pulsierenden Bewegungen meiner Halsschlagader begleitet. Vorzugsweise schimpfe ich in Deutsch - allerdings werden auch immer mehr Beschimpfungen in Chinesisch eingebaut.

Grund für meinen täglichen Ärger: Die Leute starren mich an, das war schon immer so. Aber ich dachte, dass sich das mit der Zeit legen würde. Tut es aber nicht. Obwohl ich auf meinem täglichen Fußmarsch zur Uni immer die gleichen Leute antreffe (zugegeben es sind viiieeeele...), bleibt ihnen regelmäßig der Mund offen stehen. Mein Outfit wird gecheckt, meine Haut wird genauer unter Beobachtung genommen und so kann es auch schon mal passieren, dass man in Hindernisse läuft, die einem unerwartet in den Weg springen, wie zB Laternen, Straßenstipfel, Müllküberl...

Witzig, oder? Tja, war es am Anfang auch, aber jetzt stört es mich und von Gewöhnungseffekt kann noch lang keine Rede sein. Hinzu kommt jetzt allerdings noch, dass immer mehr Chinesen auf 'Freundesfang' sind. Einen ausländischen Freund zu haben, scheint bei der jüngeren Generation irgendwie das Must-Have geworden zu sein. Und so laufen mir auf der Straße manchmal chinesische Männer (ja - es sind immer nur Männer, die sich das trauen) hinterher, die unbedingt mit mir reden und meine Nummer haben wollen. Einer ist mir vor kurzem fast bis nach Hause gefolgt! Gar nicht mehr witzig.

Und auch, wenn Chinesen total unschuldig ausschauen und ich mir nicht vorstellen kann, dass dieses Völkchen auch nur einer Gelse was zu Leide tun könnte, sollte man vorsichtig sein. Mit einer chinesischen Freundin habe ich mich darüber ausgetauscht und sie meinte, dass im Grunde genommen ein jeder irgendeinen Hintergedanken hat, wenn er dich anspricht und man sich nicht unbedingt auf irgendein Geplänkel einlassen sollte. Was also am Anfang lustig war, um meine Chinesisch Kenntnisse zu verbessern, wird jetzt also von mir durch das Tragen von Kopfhöreren strategisch abgewendet.

Ich muss an dieser Stelle auch hinzufügen, dass Shenyang auf Ausländer noch ganz anders reagiert, als jede andere Großstadt in China. In Shanghai, Beijing oder Hongkong wird man solche Erfahrungen wohl eher nicht machen. Hier allerdings ist das erste Auftauchen von Ausländern noch nicht so lange her und deshalb immer noch ein Highlight ... und das wird auch in keinster Weise irgendwie auch nur versucht zu verbergen. Fingerzeigen wird oft von Ausrufen wie 'Ausländer' gefolgt. Und ja ... auch das nervt.

Genau so wie es nervt, wenn man sich in der Nahe gelegenen Exhibition Hall ein geniales Bild kauft, dieses aber leider vollkommen durch das Augenmaßraster fällt ('es ist zu schön, um anzunehmen, dass es nicht ins Auto passen könnte') und Bild und ich unseren Heimweg mit der Metro antreten. Ich war das meistfotografierteste Objekt in der ganzen U-Bahn. Um genauer zu sein: es gab keinen in meinem Waggon, der seine Handykamera nicht zückte und ein Bild von mir und meinem Bild machte.

Nach überstandener Fahrt, Nahe am Ausgang, wurde ein Pärchen auf mich aufmerksam. Da Chinesen, was den Genierer anbelangt, eher mit einer Brechstange als mit Diskretion vertraut sind, wurde ich lautstark ausgelacht, mit dem Finger (wieder mal) auf mich gezeigt und natürlich auch die Handykamera gezückt. Das war allerdings zu viel für meinen empfindlichen Magen und ich bin auf die beiden losgegangen wie eine rasende Löwenmutter. Ich hab ihnen verklickert, dass ich ihr Verhalten absolut unangebracht finde und wieso sie ein Foto von mir gemacht haben. Ich wurde nicht gefragt und sie müssen es löschen - sofort. Und das alles natürlich auf Chinesisch. Ich erntete große Augen und noch größere Verwunderung. Der männliche Part des Fingerzeigenden Duos machte mir dann stotternd klar, dass er die Wand hinter mir fotografiert hatte und nicht mich. Ja klar.

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